Was kennzeichnet die "neue Unterschicht"?
Der Rektor des Martin Bucer Seminars fordert die Christen auf, sich mit der "neuen Untersicht" auseinanderzusetzen.
Der Ethiker und Soziologe Thomas Schirrmacher (Bonn) hat Christen und Kirchen auf dem "Spring Festival" dazu aufgefordert, sich stärker für die "neue Unterschicht" einzusetzen. Die Hilfe laufe allerdings ins Leere, wenn man sich nicht vorher gründlich damit auseinandersetze, was diese "neue Unterschicht" ausmacht. Längst, so Schirrmacher, hat sich in Deutschland eine dauerhafte "neue" Unterschicht festgesetzt.
Man nenne sie "neu", weil sie sich kulturell stark von der früheren Unterschicht des 19. und 20. Jahrhunderts unterscheidet und ihre Armut sich nicht mehr in erster Linie in Hunger, Krankheit und Unterdrückung äußert. Hatte sich etwa die frühere Arbeiterschicht stark und aktiv in Arbeitervereinen, Gewerkschaften und Parteien organisiert und für ihre Rechte und ihren Aufstieg gekämpft, sei die neue Unterschicht eher durch Passivität gekennzeichnet. Man nehme kaum am gesellschaftlichen Leben teil, setze sich kaum für den Aufstieg und die Bildung der Kinder ein und zahle lieber mehr für "Bequemeres". Die heutige Unterschicht sei gemessen am heutigen Durchschnitt zwar arm, gemessen an den Armen von vor 100 Jahren aber reich. Fertigprodukte wie ein Essen im Fast-Food-Restaurant siege über günstigere Produkte, die man selbst zubereiten muss. "Das Fernsehen siegt über die Bildung der Kinder und die Abhängigkeit vom Staat über den Wunsch, durch Arbeit aus der Misere zu finden", erklärte Schirrmacher.
Der Rektor des Martin Bucer Seminars geht davon aus, dass Kirchen und Gemeinden die neue Unterschicht ebenso wenig im Blick hätten, wie einst die Arbeiterschicht im 19. Jahrhundert. Kirchenferne Menschen würden in erster Linie in der Mittelschicht erreicht. Gerade die Passivität der neuen Unterschicht zwinge Kirchen und christliche Werke, aktiv zu werden und nach dem Gebot Jesu zu "gehen", und nicht darauf zu warten, dass das eigene attraktive Programm die Schwachen der Gesellschaft von selbst anziehe.