Das 3. MBS-Jahrbuch ist erschienen
Der dritte Band des MBS-Jahrbuches widmet sich der evangelischen Seelsorgelehre. Die Autoren plädieren dafür, moderne Seelsorgekonzepte vor dem Forum der alten Quellen neu zu ordnen. Die Beiträge sind ...
Der dritte Band des Martin Bucer Seminar-Jahrbuches ist im Dezember 2003 erschienen. Das Buch, herausgegeben von Ron Kubsch, widmet sich einem seit vielen Jahren kontrovers diskutierten Thema: der evangelischen Seelsorgelehre.
In einer Zeit, in der sich Seelsorger mit einem schier unüberschaubaren Markt an säkularen Forschungszweigen und Therapieformen sowie einem beständig wachsenden Angebot heterogener christlicher Seelsorgemodelle auseinandersetzen müssen, plädieren die Autoren dafür, moderne Seelsorgekonzepte vor dem Forum der alten Quellen neu zu ordnen.
J. Anselm Steigers Aufsatz ‚Die Geschichts- und Theologie-Vergessenheit der heutigen Seelsorgelehre‘, der 1993 einiges Aufsehen erregte, erscheint nun - ziemlich genau 10 Jahre nach Erstveröffentlichung - erneut.
Zu den jungen Theologen, die den Einsichten der großen Lehrer wieder Gehör verschaffen möchten, gehören auch Elke Meyer und Gerhard Gronauer. E. Meyer zeigt, dass die Rechtfertigungslehre Martin Luthers tief bis in die Seelsorge des Reformators hinein gewirkt hat. G. Gronauer, der Steigers Aufruf schon in seinem Aufsatz „Reformatorische Pastoral- und Seelsorgelehre im Vergleich“ (MBS-Jahrbuch 1 (2001), S. 95-142) beherzigt hat, untersucht den „Seelen-Hirten“ von Nicolaus Haas und beobachtet in einem zweiten Beitrag die Rückkehr des Glaubens in die Seelsorge, vornehmlich außerhalb des klassischen evangelikalen Lagers.
Ron Kubsch plädiert für eine ‚Rebibliorisierung‘ der Seelsorgelehre. Seiner Meinung nach soll die Heilige Schrift wieder einen zentralen Platz innerhalb der Poimenik bekommen und ihre Arbeitsweisen normieren und füllen. Abschließend folgt ein Aufsatz von Thomas Schirrmacher, der den perspektivialistischen Ansatz seiner Ethik für die Seelsorge entfaltet.
So verschieden die Beiträge der Autoren dieses Bandes auch sein mögen, es gibt doch mindestens drei Überzeugungen, die als verbindende Schnittmenge verstanden werden dürfen.
Erstens verbindet die Überzeugung, dass biblische und reformatorische Poimenik nicht auf die dem Menschen innewohnenden Selbstheilungskräfte vertraute, sondern ihre Hoffnung auf einen Helfer setzte, der von außen kommend eingreift und dem Menschen Leben, Heilung, Sinn und Identität stiftet. Wie Elke Meyer herausarbeitet, bestand so z.B. für Martin Luther Seelsorge darin, „den Menschen von sich selbst und dem Vertrauen auf seine eigenen Werke wegzuführen und ihm Christus als das Heil „extra nos“ vor Augen zu führen ...“ (S. 60). Will Seelsorge sich wieder unverwechselbar von psychotherapeutischen Offerten absetzen, wird sie die von Christus her kommende Hilfe neu entdecken müssen.
Zweitens sind die Autoren davon überzeugt, dass sich Seelsorge nicht einseitig und pragmatisch an den Reflexionen der Humanwissenschaften zu orientieren hat, sondern sich wieder ihrem biblischen und reformatorischen Erbe zuwenden muss, wenn sie auch in Zukunft etwas bewegen möchte. Ad fontes muss wieder Programm werden. Um mit Anselm Steiger zu sprechen: „Es ist die Zeit gekommen, der Geschichtsvergessenheit und Erblindung vor der eigenen Tradition abzuhelfen und das Quellenstudium endlich wieder in Angriff zu nehmen“ (S. 13).
Schließlich haben die Verfasser dieses Bandes den Verdacht, dass die Spannung zwischen biblischer und integrativer Seelsorge für so manchen großen Lehrer der Kirchengeschichte eine überwindbare gewesen wäre. Erfahrungswissenschaften haben ihren Wert und Ort, ja sind mit innerbiblischen und reformatorischen Überlegungen vereinbar, insofern ihr Geltungsanspruch nicht gegen die Offenbarung Gottes ausgespielt wird. Gottes Reden muss Ausgangspunkt und Grundlage seelsorgerlichen Dienens sein. Da uns, wie Thomas Schirrmacher zeigt, aber die Heilige Schrift selbst dazu auffordert, außerbiblische Autoritäten wie Vernunft, Tradition oder Erfahrung ernst zu nehmen, kann auch die Empirie hilfreicher Ratgeber für poimenisches Arbeiten sein.
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